Software-Hinterlegung & Prüfung des Source Codes

Datum 24.08.2014 17:42 | Thema: DEFAULT

Die angespannte Wirtschaftslage von 2008 bis 2012  ist auch an der Technologie- und Software-Branche nicht spurlos vorübergegangen. Die Zahl der Insolvenzanträge hat deutlich zugenommen. Dies führt auf Seiten der Auftraggeber aus Industrie, Wirtschaft und Verwaltungen häufig zu der Frage, wie eine teure Investition in hochwertige aktuelle Software langfristig geschützt werden kann. Auch ist zu klären, wer im Insolvenzfall Programme pflegen und weiterentwickeln kann.


Ein wirksames Mittel zur Absicherung gegen die negativen Folgen einer möglichen Insolvenz des Softwarelieferanten ist die Hinterlegung der Software, genauer die Sicherheitshinterlegung des Quellcodes bzw. Source Codes (auch Software Escrow genannt). Für die Hinterlegung des Quellcodes wird neben dem eigentlichen Lizenzvertrag, der die Nutzungsrechte des Auftraggebers regelt, ein weiterer Vertrag über die Hinterlegung abgeschlossen. Aus rechtlichen Gründen sollte allerdings im Lizenzvertrag ein direkter Verweis auf die notwendige Hinterlegung enthalten sein.


Eine Hinterlegung der Software ist unter anderem sinnvoll, wenn die Lizenzsumme der eingesetzten Software bei deutlich mehr als 35.000,00 € liegt oder die Installation für mehr als 50 Anwender erfolgt. Auch wenn die eingesetzte Software kritische Unternehmensprozesse abbildet, sollte eine Softwarehinterlegung überlegt werden. Gründe für die Vereinbarung einer Softwarehinterlegung können „Unsicherheiten" hinsichtlich der Solvenz des Auftragnehmers sein oder der Umstand, dass ein Ausweichen auf andere Software nicht möglich ist und auf jeden Fall sicher zu stellen ist, dass eine Fehlerbeseitigung auch unabhängig vom Vertragspartner möglich ist.

Praxistipp:

Es sei davon abgeraten, Rechtsanwälte oder Notare als Hinterlegungsstelle zu nutzen. Zum einen sollte das hinterlegte Material ständig aktualisiert werden, zum anderen muss zur Überprüfung der Hinterlegungsvoraussetzung eine technische Verifikation in verschie-denen Prüfungstiefen mit verschiedenen Betriebssystemen von versierten IT-System-technikern erfolgen. Diese Ressourcen und das hierfür notwendige softwaretechnische Know How steht Rechtsanwälten und Notaren i.d. Regel nicht zur Verfügung. Darum sprechen Experten hier von Scheinsicherheit.
Bei der Vereinbarung einer Softwarehinterlegung ist die Interessenlage der Beteiligten sehr unterschiedlich. Der Auftraggeber möchte eine Gefährdung seiner Investition ausschließen und erneute Aufwendungen für den Wechsel auf ein neues Produkt vermeiden. Der Auftragnehmer und Hinterleger möchte hingegen sein im Quellcode verkörpertes geistiges Eigentum möglichst wirksam schützen und für Dritte unzugänglich verwahren. Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Patentierbarkeit einer Software in Deutschland ist die Herausgabe des Quellcodes für den Auftragnehmer ein Risiko. Soweit das geistige Eigentum und damit der Quellcode einen wesentlichen Teil des Betriebsvermögens des Softwareanbieters bildet, kann der Verlust des Quellcodes existenzbedrohend sein.

Auftraggeber und Auftragnehmer sollten im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung über die Hinterlegung des Quellcodes möglichst genau beschreiben, was im Einzelnen zu hinterlegen ist. Im Mittelpunkt steht sicher der Quellcode der Software und seine Dokumentationen. Beides muss vollständig und übersichtlich aufgebaut sein. Ein unbeteiligter Dritter muss sich im Zweifel schnell in die Programmierung einarbeiten können. Des Weiteren empfiehlt es sich, den Quellcode und seine Dokumentationen  in elektronischer Form auf Datenträger oder per FTP Übertragung auf einen Server des Software ESCROW Treuhänders zu hinterlegen.

Außerdem sollte eine vollständige Hinterlegung die detaillierte Beschreibung des Quellcodes und seiner Entwicklungsumgebung enthalten. Kommentierungen zum Quellcode können in der Programm­beschreibung enthalten sein.

Soweit bei der Programmentwicklung Sprachübersetzer und andere Hilfssoftware zur Komprimierung oder Verschlüsselung genutzt wurden, müssen diese ebenfalls hinterlegt werden. Der Auftraggeber muss in die Lage versetzt werden, den geänderten Quellcode in den maschinenlesbaren Objektcode zu übersetzen. Andernfalls ist die Hinterlegung nutzlos. Eine gute Anregung ist, den Namen und die Anschriften der verantwortlichen Programmierer ebenfalls mit zu hinterlegen (so Dr. Roland Bömer, Hinterlegung von Software, NJW 1998, 3321). Zwar wird diese Forderung beim Auftragnehmer in der Regel nicht auf große Gegenliebe stoßen, im Insolvenzfall kann diese Information für den Auftraggeber allerdings von großer Wichtigkeit sein.

Der Software ESCROW Treuhänder muss technisch in der Lage sein, die ihm vom Auftragnehmer und Hinterleger überreichten Datenmaterialien und Unterlagen neutral zu prüfen. Es darf nicht sein, dass beispielsweise statt des Quellcodes minderwertiges oder nicht brauchbares Datenmaterial an die Hinterlegungsstelle vergeben wird. In der Hinterlegungsvereinbarung ist im Einzelnen festzulegen, welche technischen Verifikationen erfolgen sollen. Die Bandbreite reicht von einem bloßen Lesbarkeitstest über eine vollständige Neuherstellung des Objektcodes bis hin zu einem umfassenden Funktionalitätstest. Gerade die Notwendigkeit einer technischen Verifikation lässt eine Hinterlegung bei Notaren und Rechtsanwälten als nicht sinnvoll erscheinen. Dort kann diese technische Überprüfung in den allermeisten Fällen nicht geleistet werden. Der Wert der Hinterlegungsvereinbarung wird damit erheblich gemindert.

Praxistipp:
Es zeigt sich, dass der Aktualisierungszyklus der Software zunehmend kürzer wird. Aus dem Grund ist es auch notwendig, im Hinterlegungsvertrag eine ständige Aktualisierung zu vereinbaren. Es ist Aufgabe des Software ESCROW Treuhänder, den Eingang der Aktualisierung zu prüfen, gegebenenfalls den Vertragspartner zu mahnen und auf den im Hinterlegungsvertrag festgelegten Vereinbarungen zu bestehen.

Quellen: S.E.I. Redaktion & IT/TK-Recht-Kanzleien, Urheberrecht, Vertragsrecht - 2013





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